Bundesgesetz über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien

Bundesgesetz über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien

Die GLP Schweiz befürwortet grundsätzlich die Stossrichtung und Zielsetzung der Vernehmlassungsvorlage, die Chancen neuer Züchtungstechnologien zu nutzen. Wir kommen aber zum Schluss, dass der Gesetzesentwurf dem Auftrag des Parlaments, eine risikobasierte Zulassungsregelung für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien zu erarbeiten, zu wenig Rechnung trägt.

Befürworten Sie für die Umsetzung des Auftrags gemäss Art. 37a Abs. 2 GTG die Stossrichtungen und Zielsetzungen des vorliegenden Entwurfs des Bundesgesetzes über Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien? Die Grundzüge des Entwurfs werden in Kapitel 2 und die einzelnen Artikel in Kapitel 5 des Berichts erläutert.


Die eidgenössischen Räte haben den Bundesrat bei der Debatte um die Verlängerung des Gentechik-Moratoriums 2021 beauftragt, bis 2024 ein Spezialgesetz für die risikobasierte Zulassungsregelung für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien zu erarbeiten. Die Grünliberale Partei (GLP) hat diesen Auftrag des Parlaments wesentlich mitgeprägt und vorangetrieben. Denn während wir aufgrund der Risiken für Mensch und Umwelt die Inverkehrbringung von herkömmlich gentechnisch veränderten Organismen nach wie vor dem Moratorium unterstellen wollen, ist für uns unbestritten, dass die neuen Züchtungstechnologien grosses Potenzial und Chancen für die Zukunft bieten. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Methoden der Gentechnik wird das Erbgut von Pflanzen bei den neuen Züchtungstechnologien punktuell und gezielt verändert, ohne dass ihnen artfremdes Erbgut eingesetzt wird. Die gezielten Mutationen lassen sich von natürlich entstandenen Mutationen häufig gar nicht unterscheiden. Aus diesem Grund machen die neuen Züchtungstechnologien die Kontinuität moderner Züchtung als Weiterentwicklung traditioneller Verfahren sichtbar und sollen entsprechend auch regulatorisch anders gehandhabt werden als herkömmliche Methoden der Gentechnik, von denen sie sich fundamental unterscheiden.

 

Die Methoden der neuen Züchtungstechnologien bieten die Möglichkeit, umweltfreundlicher und ressourcenschonender in der Landwirtschaft zu produzieren. So können bspw. Pflanzen spezifisch dahingehend gezüchtet werden, dass sie resistenter gegenüber Krankheiten oder Trockenheit sind. Die neuen Züchtungstechnologien, deren Erforschung vor
wenigen Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, stellen für unsere Landwirtschaft und Umwelt, aber auch für unsere Ernährungssicherheit grosses Potenzial dar. Eine risikobasierte Zulassung in der Schweiz würde zugleich die Innovationskraft stärken und so die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs- und Produktionsstandort Schweiz erhöhen. Eine Fortführung der undifferenzierten Unterstellung dieser Züchtungstechnologien unter das Moratorium für herkömmliche Gentechnik ist nicht nur wissenschaftlich nicht zu begründen, sondern eine verpasste Chance für Innovation und Effizienz insbesondere in der Landwirtschaft.

 

Die GLP Schweiz befürwortet grundsätzlich die Stossrichtung und Zielsetzung der Vernehmlassungsvorlage, die Chancen neuer Züchtungstechnologien zu nutzen. Wir kommen aber zum Schluss, dass der Gesetzesentwurf dem Auftrag des Parlaments, eine risikobasierte Zulassungsregelung für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien zu erarbeiten, zu wenig Rechnung trägt. Ganz grundsätzlich fehlt die Anerkennung der wissenschaftsbasierten Aussage, dass die Methoden neuer Züchtungstechnologien kein per se höheres Risiko aufweisen als andere etablierte Züchtungsmethoden, sofern der Stand der Wissenschaft und geltende Sorgfaltspflichten eingehalten werden.

 

Wir beurteilen den Entwurf insgesamt als zu restriktiv und zu wenig innovationsfreundlich und befürchten, dass auch mit dem Spezialgesetz die Hürden für die neuen Züchtungstechnologien in der Schweiz zu hoch sind. Damit die Schweiz das Potenzial der neuen Züchtungstechnologien in der Produktion und Forschung nutzen kann, fordern wir den Bundesrat auf, die Vorlage in folgenden Punkten massgeblich zu verbessern:

 

  • Wir fordern eine risikobasierte Zulassung für Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien, die den effektiven Risiken basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung trägt. Die substanzielle Äquivalenz von Pflanzen, deren Erbgut mit den neuen Züchtungstechnologien verändert wurde, zu Pflanzen aus herkömmlichen Züchtungsverfahren, soll im Gesetz entsprechend besser berücksichtigt werden.
  • Der Gesetzesentwurf soll insgesamt entschlackt und praxisnäher ausformuliert werden. Dies gilt im Speziellen für die Bestimmungen zu Mindestabständen, Warenfluss-Trennung, Kennzeichnungs- und Bewilligungspflicht.
  • Der Bundesrat soll sicherstellen, dass die Bestimmungen im Gesetz, bspw. aufgrund neuer technischer Handelshemmnisse, nicht zu einer Isolation der Schweiz, etwa beim Import von Saatgut und Lebensmitteln, führen.
  • Die Anforderungen an Kennzeichnung, Dokumentation und Monitoring müssen risikobasiert, praxistauglich, technisch umsetzbar und kosteneffizient ausgestaltet werden. Zu hohe Auflagen oder Nachweisforderungen führen zu überhöhten Kosten und administrativer Belastung, ohne einen wirklichen Zugewinn an Sicherheit oder Information zu bieten. Zu prüfen ist etwa eine Kennzeichnungspflicht bis zum Saatgut, die ab Produktionsstufe durch eine Negativdeklaration abgelöst würde.
  • Es soll präzisiert werden, dass Landwirtinnen, Forscher und Unternehmen, welche Pflanzen aus neuen Züchtungstechnologien nutzen, und die sämtliche gesetzlichen Vorschriften einhalten, nicht für unverschuldete Schäden, etwa im Fall von Sabotage oder zufälliger Auskreuzung, haftbar gemacht werden können.

Die GLP empfiehlt dringend, diese Punkte im weiteren Gesetzgebungsprozess aufzunehmen, um eine ausgewogene, fortschrittliche und praxistaugliche Gesetzgebung zu gewährleisten.

 

Bevorzugen Sie für die Umsetzung des Auftrags gemäss Art. 37a Abs. 2 GTG eine Harmonisierung mit der zukünftigen EU-Regulierung, die auf dem Entwurf der Europäischen Kommission vom 5. Juli 2023 basiert (unter Berücksichtigung, dass die Regelung noch im Trilog mit der EU-Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament verhandelt wird)? Dieser Entwurf und wie eine Umsetzung in der Schweiz aussehen könnte, wird im erläuternden Bericht in Kapitel 3 dargestellt.

 

Begründung / Anmerkungen:
Die GLP befürwortet grundsätzlich eine Harmonisierung mit der zukünftigen EU-Regulierung, sofern dies im Sinne einer modernen, innovationsfreundlichen und risikobasierten Gesetzgebung erfolgt.
Unsere Vorbehalte beziehen sich insbesondere auf folgende Aspekte:

 

  1. Handels- und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz:
    Die Schweiz ist eng mit dem europäischen Binnenmarkt verflochten – gerade im Agrarbereich. Unterschiedliche regulatorische Anforderungen, insbesondere bei Kennzeichnung und Zulassung, können zu Handelshemmnissen führen und Schweizer Produzenten benachteiligen. Eine Harmonisierung mit der EU trägt wesentlich dazu bei, den freien Warenverkehr, die Innovationskraft der Schweizer Forschung und die Wahlfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten zu erhalten.

    2. Flexibilität und Qualitätssicherung:
    Eine Harmonisierung darf nicht bedeuten, dass die Schweiz Regelungen übernimmt, die sich als ineffizient oder innovationshemmend erweisen. Die GLP empfiehlt daher, dass die Schweiz einerseits die Möglichkeit zur Anpassung an bewährte europäische Standards offenhält, andererseits aber auch nationale Spielräume für weitergehende
    Verbesserungen oder Vereinfachungen nutzt, sofern dies im Sinne der Wissenschaft und Praxistauglichkeit sinnvoll ist.

    3. Regulatorische Unklarheit (Stand Trilog):
    Da die endgültige Ausgestaltung der EU-Regulierung noch nicht abgeschlossen ist und wichtige Details (z. B. Kennzeichnungspflicht, Zulassungsverfahren für bestimmte NGT-Kategorien) offen sind, sollte die Schweiz Übergangsregelungen und Monitoringmechanismen vorsehen. So bleibt ausreichend Flexibilität, um auf das finale EU-Regime sinnvoll reagieren zu können, ohne zwischenzeitlich den Marktzugang oder die Planungssicherheit für Schweizer Akteure zu gefährden.

Die GLP empfiehlt daher, das Schweizer Recht so zu gestalten, dass eine zukünftige Harmonisierung mit der EU jederzeit flexibel möglich ist, gleichzeitig aber die Interessen der Schweizer Landwirtschaft, Wissenschaft und Konsumentinnen und Konsumenten gewahrt bleiben. Dazu gehören transparente Monitoringverfahren und die Bereitschaft, das Gesetz regelmässig zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen.

 

3. Weitere allgemeine Rückmeldungen zur Vernehmlassungsvorlage:
Die GLP Schweiz begrüsst, dass der Bundesrat einen evidenzbasierten, innovationsfördernden und verantwortungsvollen Rahmen für neue Züchtungstechnologien schaffen will. Wir sehen in einer risikobasierten, wissenschaftlich fundierten Gesetzgebung grosse Chancen für Nachhaltigkeit, Ernährungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts.
Im Sinne einer vorausschauenden und praxistauglichen Regelung möchten wir folgende Aspekte besonders hervorheben und veranschaulichen:

 

  • Wahlfreiheit und Verhältnismässigkeit – in beide Richtungen: Die GLP setzt sich als liberale Partei konsequent für Wahlfreiheit ein. Produzenten und Konsumierende sollen sich sowohl für gentechnikfreie als auch für Pflanzen entscheiden können, deren Erbmaterial mit neuen Züchtungsmethoden verändert wurde. Es darf nicht sein, dass rein ideologische Ängste zu teuren und unverhältnismässigen Auflagen führen, die die Entscheidung für neue Züchtungstechnologien in der Praxis verunmöglichen. Gleichzeitig muss der Zugang zu traditionellen oder biologischen Produktionsweisen gewahrt bleiben.
  • Fokus auf Innovation und Nutzen: Der Mehrwert neuer Sorten sollte breit gefasst und praxistauglich geprüft werden, um auch kleine, schrittweise Verbesserungen zu ermöglichen. Die Gesetzgebung darf Innovation nicht durch zu enge Definitionen oder bürokratische Hürden ausbremsen.
  • Grenzen der Nachweisbarkeit und Realität im Feld: Moderne molekulare Methoden können heute gezielt Mutationen auslösen, die in ihrer Art und im Ergebnis völlig identisch mit natürlich oder zufällig entstandenen Veränderungen sind. Schon klassische Züchtung oder Mutagenese durch Chemikalien oder Strahlung haben zahllose Veränderungen in unsere Nutzpflanzen gebracht, ohne dass wir sie einzeln kontrollieren konnten – und ohne dass je eine Kennzeichnungspflicht bestand. In der Praxis ist es häufig unmöglich, absichtlich von zufällig entstandenen Mutationen zu unterscheiden. Das muss bei Kennzeichnungs- und Kontrollvorschriften zwingend beachtet werden, um Bürokratie, Kosten und Scheinsicherheit zu vermeiden.
  • Nullrisiko ist weder erreichbar noch nötig: Kein Bereich der modernen Gesellschaft funktioniert unter der Bedingung absoluter Sicherheit: Wir nutzen jeden Tag Technologien mit inhärentem Restrisiko – von Verbrennung und Strom über Medizin und Chemie bis zur Kernkraft oder digitalen Systemen. Entscheidend ist, dass Risiken verantwortungsvoll gemanagt werden, Monitoring und Anpassungsfähigkeit gegeben sind und dass Nutzen und Risiken in vernünftigem Verhältnis stehen. Ein Anspruch auf Nullrisiko würde faktisch Stillstand bedeuten – das widerspricht dem gesellschaftlichen Fortschritt und den Grundwerten der GLP.
  • Biolandbau als potenzieller Profiteur statt als Gegner: Der Biolandbau könnte – entgegen verbreiteten Ängsten – massiv von neuen Züchtungstechnologien profitieren: Beispielsweise können krankheitsresistente oder trockenheitstolerante Sorten den Pestizid- und Wasserbedarf drastisch senken und den ökologischen Fussabdruck der Landwirtschaft verkleinern. Voraussetzung ist jedoch eine faktenbasierte, offene Haltung gegenüber Innovation und die Bereitschaft, ideologische Barrieren zu hinterfragen. Züchtung, in ihren verschiedensten Formen, ist seit Jahrtausenden Teil der Landwirtschaft: Selektion, Kreuzung, Mutagenese – und jetzt gezielte, nachvollziehbare Veränderungen. Die Nutzung der Methoden neuer Züchtungstechnologien ist damit kein Bruch, sondern eine konsequente Weiterentwicklung dieses Prozesses.
  • Wissenschaftskommunikation und gesellschaftlicher Dialog: Akzeptanz entsteht durch ehrliche, faktenbasierte Information und echte Dialogbereitschaft. Die GLP empfiehlt deshalb, den Austausch mit Praxis, Forschung und Gesellschaft weiter auszubauen, um Chancen, Restrisiken und offene Fragen transparent und konstruktiv zu diskutieren.