Freitag, 2. Februar 2024

Stellungnahme der Grünliberalen zur Teilrevision der Radio- und Fernsehverordnung

Wir Grünliberalen fordern eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Service-Public-Auftrag und dessen Finanzierungsmodell und lehnen so die Teilrevision der RTVV ab.

Die Abgabe für Fernsehen und Radio generiert finanzielle Mittel, welche für eine ausgewogene und funktionierende Medienlandschaft essenziell sind. Wir Grünliberalen nehmen die Herausforderungen und Veränderungen in der Medienlandschaft mit Sorge zur Kenntnis, sind aber offen, die sich bietenden Chancen zu packen. Es ist seit Jahren eine Erosion der regionalen Verankerung der Medien zu beobachten. Qualitativ hochstehende Medienarbeit kommt zunehmend unter Druck. Die Medien nehmen als vierte Gewalt mit ihrer politischen Einordnung eine wichtige, ja notwendige Einordnungsfunktion in der politischen Debatte und in der Funktion unserer direkten, föderalen und mehrsprachigen Demokratie wahr. Vor diesem Hintergrund stellen wir weder die Notwendigkeit der Mittel, welche die Abgabe für Fernsehen und Radio generiert, noch eine substanzielle Unterstützung der SRG zur Erfüllung ihrer Konzession in Frage. Denn die SRG und die lokal-regionalen Sender mit Gebührenunterstützung erbringen mit ihren Programmen einen wichtigen Dienst an der Öffentlichkeit, für den sie einen gesetzlich und demokratisch abgestützten Auftrag haben. Die SRG ist eine zentrale Organisation für die politische Meinungsbildung, für eine funktionierende Demokratie sowie für den Zusammenhalt der Bevölkerung und der Regionen der Schweiz. Für uns ist es deshalb unbestritten, dass alle Einwohnerinnen und Einwohner zur Finanzierung dieser Leistungen beitragen. Zugleich stellen wir Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen fest:

 

  • Anpassung der SRG-Konzession an die heutigen Bedürfnisse
    Die technologischen und inhaltlichen Bedürfnisse der Bevölkerung in ihrem Medienkonsum haben sich verändert. Die kanalgebundene, lineare Information wird zunehmend von flexibleren, vernetzten Kommunikationsformen abgelöst. Aber auch die Medienlandschaft und das Angebot auf dem Markt haben sich grundlegend gewandelt und stehen vor neuen Herausforderungen. Die Ausgestaltung des Service-Public-Auftrags der SRG erfordert eine grundlegende Auseinandersetzung und Neubeurteilung. Auf Basis dieser Diskussion fordern wir, dass die Ausgestaltung der Konzession aktualisiert und auf die heutigen Bedürfnisse und Gegebenheiten ausgerichtet wird. Denn die SRG und die konzessionierten Privatradio- und -TV-Sender sind Teil des gesamten Medienangebots, das einer ausgewogen informierten Bevölkerung, der politischen Meinungsbildung und unserer direkten Demokratie dient.

 

  • Mittelbedarf konzessionsabhängig definieren
    Wir Grünliberalen fordern, dass erst nach einer Einigung über den Inhalt, die Ansprüche und die präzise Ausgestaltung der Konzession die dafür notwendigen Kosten ermittelt und definiert werden. Diese Systemumkehr fördert eine bewusste Auseinandersetzung einerseits mit den Anforderungen an die konzessionierten Unternehmen und deren Angebote, und andererseits mit dem Bedarf der finanziellen Mittel. Das trägt zu einem erhöhten Kostenbewusstsein und einem effizienteren Umgang mit den Mitteln bei.

 

  • Ausgewogenere Verteilung der abgabengenerierten Mittel
    Wie erwähnt stellen wir weder die zentrale Rolle der SRG noch die Notwendigkeit an einer substanziellen Unterstützung ihres Leistungsauftrags in Frage. Angesichts der Herausforderungen in der Medienlandschaft, welche die qualitativ hochstehende Medienarbeit zunehmend unter Druck setzen, erachten wir aber auch eine ausgewogenere Verteilung der abgabengenerierten Mittel als angezeigt. Die privaten Radio- und Fernsehsender spielen in diesem sensiblen System eine immer zentralere Rolle, weshalb wir eine Erhöhung ihres Anteils zur Diskussion stellen, sofern auch hier eine präzise und zukunftsfähige Definition des Leistungsauftrages vorgenommen wird. Die konzessionierten privaten Radio- und TV-Sender kämen so zu einer verstärkten und zielgerichteten Förderung, ohne dass der Service-Public-Auftrag der SRG grundlegend in Frage gestellt wird. Zugleich trägt eine moderate Reduktion der Mittel zu einem effizienteren Mitteleinsatz bei der SRG bei, was wir angesichts der herausfordernden Situation auf dem Markt als vertretbar erachten.

 

  • Auslegeordnung zu alternativen Finanzierungsmodellen
    Die Abgabe für Fernsehen und Radio für Private und Unternehmen gerät zunehmend unter Druck. Die «SRG-Halbierungsinitiative (SRG-Initiative – 200 Franken sind genug!)» ist Ausdruck dieser wachsenden Unzufriedenheit mit dem heutigen Finanzierungssystem, die sich in der herausfordernden Situation von Kaufkraftverlust und Teuerung akzentuiert. Vor diesem Hintergrund erachten wir eine generelle Überprüfung der Finanzierung des Service-Public in Radio und Fernsehen als dringend notwendig. Dies umso mehr, da das aktuelle System bei den Unternehmen und den Privatpersonen Mängel aufweist: Bei den Unternehmen werden administrativer Aufwand und Kosten ausgelöst. Auch sind die Schwellenwerte für die Höhe der Abgaben willkürlich und die degressive Ausgestaltung der Unternehmensabgabe wurde bereits mehrfach vom Bundesverwaltungsgericht als verfassungswidrig eingestuft. Auch bei den Privatpersonen ist eine gewisse Willkür im System, da die Höhe der individuellen Abgabe von der Anzahl der Personen pro Haushalt abhängt. Einpersonenhaushalte werden dadurch gegenüber Mehrpersonenhaushalten systematisch schlechter gestellt, was einem liberalen Ansatz widerspricht. Dieses System ist grundlegend zu überdenken und zu optimieren. Zu prüfen sind etwa eine Finanzierung über den Bundeshaushalt, bspw. mit einer Fondslösung zur Wahrung der Unabhängigkeit von der Politik. Aber auch die Einführung einer Kopfsteuer, die Finanzierung über die Mehrwertsteuer, eine individuelle, einkommensabhängige Medienabgabe oder eine allgemeine Entlastung aller Unternehmen sind ergebnisoffen zu prüfen. Aus grünliberaler Perspektive ist klar: Die Mittelgenerierung muss möglichst effizient, unbürokratisch und nachvollziehbar sein. Dies würde auch die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen.

 

  • Verfassungsartikel aktualisieren
    Die verfassungsrechtlichen Grundlagen bilden den technologischen und gesellschaftlichen Wandel sowie das veränderte Konsumverhalten der Bevölkerung nicht ab. Als Grundlage für die Diskussion über den Service-Public-Auftrag fordern wir einen technologieneutralen Verfassungsartikel über alle Medien. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um zukunftsfähige Rahmenbedingungen für die Diskussion des Service-Public-Auftrags, aber auch für die Medienförderung allgemein zu schaffen.

 

Position zur Vorlage

Vor dem Hintergrund des grundsätzlichen Diskussions- und Entscheidungsbedarfs über die Ausgestaltung des Service-Public-Auftrags und dessen Finanzierungsmodells, erachten wir die beantragte Teilrevision der RTVV als ungeeignet und verfrüht. Wir sind überzeugt, dass die Beratung der SRG-Halbierungsinitiative in den eidgenössischen Räten als Anlass genommen werden muss, um die grundlegenden Fragen ergebnisoffen zu diskutieren. Eine Reduktion der Abgaben für Private und Unternehmen, ohne eine Diskussion über die Ausgestaltung der Konzession, erachten wir als willkürlich und nicht zielführend. Da das RTVG zudem explizit eine Abgabe für Private und Unternehmen vorsieht, erachten wir eine Befreiung weiterer Unternehmen auf Verordnungsebene als nicht gesetzeskonform. Denn mit der Verordnungsänderung würden nur noch rund 20 Prozent der Unternehmen eine Abgabe bezahlen.

 

Dieser Diskussion mit einer Änderung auf Verordnungsebene vorzugreifen, erachten wir zudem auch aus staatspolitischen Gründen als problematisch. Dem Parlament wird damit der finanzielle Handlungsspielraum für echte Reformen der Medienförderung genommen.

 

Aus diesen Gründen lehnen wir die Teilrevision der RTVV ab und fordern eine seriöse und fundierte Auseinandersetzung mit dem Service-Public-Auftrag sowie dem Finanzierungsmodell, um den Herausforderungen auf den verschiedenen Ebenen gerecht zu werden und eine allgemeine Verbesserung des Systems zu erreichen. Der Bundesrat hat zudem die Publikation des Berichts zum Postulat Christ 21.3781 «Strategie für eine zukunftsgerichtete Medienförderung jetzt aufgleisen» für das erste Quartal 2024 in Aussicht gestellt. Wir sind überzeugt, dass auch die Erkenntnisse dieser Arbeit in diese Diskussionen einfliessen müssen.