Dienstag, 10. Oktober 2023

Bundesgesetz über die Massnahmen zur Entlastung des Haushalts ab 2025

Wir Grünliberalen verfolgen eine nachhaltige und wachstumsorientierte Finanzpolitik. Unseren Nachkommen sollen keine Schuldenberge hinterlassen werden. Wir befürworten deshalb eine wirksame Schuldenbremse.

Die aktuelle Ausgestaltung der Schuldenbremse erachten wir jedoch als zu starr. Eine Staatsverschuldung ist für ein Land tragfähig, wenn die Bruttoschulden mittel- bis langfristig nicht stärker wachsen als das Bruttoinlandprodukt (BIP), sodass die Schuldenquote konstant bleibt (vgl. dazu auch das Postulat 22.4188). Die Schuldenbremse des Bundes ist heute jedoch so ausgestaltet, dass das absolute Niveau der Bruttoschulden konstant bleiben muss, was bei einem positiven Wachstumstrend des BIP und Inflation zu einem kontinuierlichen Rückgang der Schuldenquote führt. Selbst Investitionen können heute beim Bund nicht über eine Kreditaufnahme finanziert werden und müssen vollständig aus den laufenden Einnahmen gedeckt werden. Zusätzliche Schulden sind nur in ausserordentlichen Situationen möglich. Für nachhaltig stabile Staatsfinanzen ist jedoch in der Schweiz eine sinkende Schuldenquote weder notwendig noch wünschenswert, zumal die Schuldenquote auch im internationalen Vergleich sehr tief ist. Es genügt, die Schuldenquote stabil zu halten. Die heutige Ausgestaltung der Schuldenbremse schränkt somit den finanziellen Handlungsspielraum des Bundes unnötig stark ein. Die Kreditfinanzierung von einzelnen Neuinvestitionen, welche der Volkswirtschaft einen langfristigen Nutzen stiften, muss möglich sein, um richtungsweisende Investitionen zugunsten künftiger Generationen tätigen zu können. Wir fordern deshalb den Bundesrat auf, die Vorlage mit entsprechenden Anpassungen im Finanzhaushaltsgesetz zu ergänzen.

 

Gleichwohl ist eine klare Priorisierung der Ausgaben vorzunehmen. Denn nur bei soliden Finanzen bleiben wir handlungsfähig und für zukünftige Krisen gewappnet. Jede Generation hat ihre Herausforderungen und muss über die finanzpolitischen Spielräume verfügen, um diesen gerecht werden zu können. Ausgehend von diesen Überlegungen begrüssen wir, dass der Bundesrat mit dem Entlastungspaket des Bundeshaushalts ab 2025 die Ausgaben des Bundes überprüft und Vorschläge zur Bereinigung unterbreitet. Aus diesen Gründen haben wir auch die Mo. der FK-S 22.4273 «Überprüfung der staatlichen Aufgaben und Leistungen» befürwortet. Ergänzend erachten wir es als dringend, dass die Finanzkommissionen ihrer Oberaufsicht im Finanzbereich der Bundesverwaltung besser nachkommen. Dazu gehören die finanzielle Planung und die damit einhergehende Prüfung der Finanzierbarkeit von politischen Vorhaben. Wir haben deshalb die Forderung der Mehrheit der FK-N unterstützt, den Einbezug der finanzpolitischen Kommissionen bei der Vorberatung von Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sicherzustellen. (22.483 Pa. Iv. FK-N «Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorstössen und Erlassentwürfen von Sachbereichskommissionen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sicherstellen»). Wir hoffen, dass die FK-S dieses Anliegen aufnehmen wird.

 

Die Grünliberalen fordern eine solide und investitionsorientierte Haushaltspolitik, die den gesellschaftlichen Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung gewachsen ist. Denn die Schweiz braucht Wachstumsimpulse durch Zukunftsinvestitionen in Infrastruktur, innovative Technologien, Bildung und Klimaschutz, aber auch Stärkung der Sicherheit, zu der die soziale Sicherheit aber auch die Versorgungssicherheit gehören. Die alternde Gesellschaft steigert den Bedarf an gesellschaftlichen Aufgaben, führt aber mit der Demografielücke bei den arbeitstätigen Jahrgängen auch zu Druck in der Versorgung genauso wie beim wirtschaftlichen Leistungspotenzial. Vor diesem Hintergrund lehnen wir das Vorhaben des Bundesrats, den Kantonsanteil an der Bundessteuer im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz über die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Kantone in ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern (UKibeG) zu senken, klar ab. Wir sind überzeugt, dass dies dem wichtigen Ziel, das Arbeitskräftepotenzial von berufstätigen Eltern rasch und auf einfache Art besser auszuschöpfen, direkt entgegenwirkt. Dies ist nicht nur angesichts des prekären Fach- und Arbeitskräftemangels fahrlässig. Auch im Zusammenhang mit der Anpassung der Witwenrente, wie sie in dieser Vorlage gefordert wird, ist dieses Vorhaben nicht nachvollziehbar. Wir fordern den Bundesrat auf, seine Verantwortung wahrzunehmen und eine bessere Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials in sämtlichen Regionen der Schweiz zu unterstützen.

 

Detaillierte Position zur Vorlage

Grundsätzlich unterstützen wir das Vorhaben, sowohl bei den schwach gebundenen als auch bei den gebundenen Ausgaben anzusetzen. Die Vernehmlassungsvorlage fokussiert auf Entlastungsmassnahmen bei gebundenen Ausgaben, die einen entsprechenden Gesetzgebungsbedarf aufweisen. Da die Entlastungsmassnahmen aber als Gesamtpaket, also in Bezug auf die gebundenen und schwachgebundenen Ausgaben, ausgewogen und zielführend sein müssen, erlauben wir uns auch einen Kommentar zu den Bereinigungsmassnahmen des Bundesrats bei den schwachgebundenen Ausgaben ohne Gesetzgebungsbedarf.

 

  • Massnahmen bei den schwachgebundenen Ausgaben

Wir teilen die Auffassung des Bundesrats, dass das Ausgabenwachstum über alle Bereiche um 2 Prozent gekürzt werden soll. Ausdrücklich begrüssen möchten wir, dass die Wachstumskürzungen beim Personal unterdurchschnittlich vorgesehen sind. Kritisch stehen die Grünliberalen allerdings einer Entwicklung gegenüber, nach der neue Stellen in der Verwaltung die grundlegende Antwort ist auf sich verändernde Anforderungen an eine effiziente, den aktuellen Herausforderungen gewachsene Aufgabenbewältigung. Hier sind fundamentale Reformen nötig. Es braucht in der gesamten Verwaltung neben einem verantwortungsvollen Führungsverständnis auch mehr Innovationsfreundlichkeit und eine moderne Fehlerkultur. Die Effizienz und die Qualität müssen weiter gesteigert werden, wobei die Digitalisierung ein Schlüsselelement ist. Als positiv beurteilen wir, dass der Bundesrat das Ausgabenwachstum der Armeeausgaben auf 1 Prozent des BIP um 5 Jahre strecken will (Erhöhung der Armeeausgaben bis 2035 anstelle bis 2030). Die Schweizerische Armee hat mit ihrem Bericht «Zielbild und Strategie der Armee» einen Entwicklungsplan vorgelegt, der verdeutlicht, dass der Beschluss des Parlaments über die Erhöhung der Armeeausgaben zu unüberlegten Ausgaben führt. Während wir die Intensivierung der internationalen Kooperation begrüssen, bedauern wir einerseits, dass der Bedrohung im Cyberraum nicht mehr Beachtung geschenkt wird. Andererseits sind wir überzeugt, dass die vorgesehene Stärkung der Bodentruppen unverhältnismässig ist, stellt doch ein gross angelegter Bodenangriff kaum eine unserer grössten Bedrohungen dar. Der Bericht bestätigt uns in unserer Überzeugung, dass bei der Streckung des Ausgabenwachstums der Armee weiterer Handlungsspielraum besteht. Angesichts der angespannten Finanzlage und der zugleich vielen bevorstehenden dringenden Projekte (insbesondere die Einführung eines substanziellen Unterstützungsbeitrags für die familienergänzende Kinderbetreuung, aber auch die Einführung der Individualbesteuerung sowie Schutzmassnahmen für die Biodiversität und den Klimawandel), erachten wir es als notwendig, die Erhöhung der Armeeausgaben um weitere 5 Jahre, d.h. bis 2040 zu strecken. Dies ermöglicht einerseits eine seriöse Planung der Armeebeschaffungen. Andererseits erhält der Bund damit mehr Handlungsspielraum in der finanzpolitischen Planung. Wir weisen an dieser Stelle darauf hin, dass gerade im Bereich des Investitionsbedarfs der Armee die Möglichkeit einer zumindest partiellen Kreditfinanzierung von Investitionen bei gleichzeitiger Stabilisierung der Schuldenquote den finanziellen Handlungsspielraum des Bundes erhöhen würde, ohne die Stabilität der Staatsfinanzen zu gefährden.

 

Zwei Jahre nach dem einseitigen Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen durch die Schweiz müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass nach wie vor kaum Aussicht auf eine zeitnahe Verbesserung in der Zusammenarbeit mit unseren wichtigsten Partnern besteht. Seitens EU wird immer wieder signalisiert, dass der Ball für eine Neuaufnahme der Verhandlungen bei der Schweiz liege. In diesem Umfeld den Pflichtbeitrag für Horizon Europe zu streichen, ist zwar keine vertrauensbildende Massnahme – gegenüber der EU, aber auch gegenüber unseren Forschungsinstitutionen. Wir erachten sie jedoch im Rahmen eines Entlastungsprogramms vorübergehend als zweckmässig. Wir beantragen dem Bundesrat aber, in der Botschaft zum Voranschlag 2024 mit integriertem Finanzplan 2025-2027 klar und detailliert darzulegen, dass den Forschenden dadurch keine Beiträge entgehen und die Ersatzmassnahmen ausreichen. Zudem beantragen wir, einen Zeitplan für die raschestmögliche Wiederassoziierung an Horizon und das Vorgehen in Bezug auf die zukünftige Budgetierung des Pflichtbeitrags aufzuzeigen. Damit sollen positive Signale an die EU und die Forschungsinstitutionen ausgesendet und unseren Willen und unser Bewusstsein für die Dringlichkeit verdeutlicht werden, in dieser unbefriedigenden Situation, eine Lösung zu finden.

 

Die Aufhebung der Steuerbefreiung von Elektrofahrzeugen erachten wir grundsätzlich als richtig. Wie in unserer Vernehmlassungsantwort ausgeführt, ist der angedachte Zeitpunkt aber ungünstig. Denn die Dynamik im Elektromobilmarkt hat sich, gerade im Vergleich zu unseren Nachbarländern, deutlich abgeschwächt. Die Dekarbonisierung des Individualverkehrs leistet jedoch einen wichtigen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele, die mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes im Juni 2023 von der Stimmbevölkerung demokratisch bestätigt wurden. Wir beantragen deshalb, die Aufhebung der Steuerbefreiung um ein paar Jahre zu verschieben, bis die Rahmenbedingungen für die Elektromobilität in der Schweiz verbessert und Elektromobile gegenüber den Verbrennermotoren gleichgestellt sind.

 

  • Massnahmen bei den gebundenen Ausgaben

Die Angleichung der Renten von Witwerinnen und Witwern begrüssen wir ausdrücklich. Die gesetzliche Ungleichbehandlung der Geschlechter ist nicht mehr zeitgemäss. Personen sollen unabhängig von ihrem Geschlecht finanziell eigenständig sein und ihrem Beruf nachgehen können. Das gilt insbesondere für die Generationen, die seit der Aufnahme des Gleichstellungsartikels in die Verfassung 1981 in weiten Teilen zumindest vor dem Gesetz gleichgestellte Rechte besitzen und zur Erreichung der tatsächlichen (beruflichen) Gleichstellung ständig weitergearbeitet haben. Ebenso überholt ist die heutige Bestimmung, wonach die Ausrichtung der Hinterlassenenrente an den Zivilstand gekoppelt ist. Dies hat zur Folge, dass unverheiratete Elternteile im Todesfall ihres Partners bzw. ihrer Partnerin finanziell schlechter gestellt sind als verheiratete Ehepartner. Das Anliegen wurde von den vorberatenden Kommissionen bereits unterstützt (Überweisung der parlamentarischen Initiative von Nationalrätin Corina Gredig (21.416 «Ungleichbehandlung bei den Hinterlassenenleistungen beseitigen»). Im Hinblick auf die Ausarbeitung der Vorlage fordern wir den Bundesrat auf, die Übergangsfristen dahingehend auszugestalten, dass laufende Witwenrenten weder gekürzt noch gestrichen werden. Den betroffenen Personen muss die Möglichkeit geboten werden, auf die Änderung der gesetzlichen Bestimmungen zu reagieren, was bei laufenden Renten kaum möglich ist.

 

Dies bringt uns zu unserem Kernanliegen in dieser Vernehmlassungsvorlage, der Beteiligung des Bundes an der familienergänzenden Kinderbetreuung. Wir Grünliberalen sind überzeugt, dass jeder Mensch in der Schweiz sein Potenzial ausschöpfen können soll, unabhängig von Geschlecht, Wohnort und Zivilstand. Das bedingt aber die entsprechenden Rahmenbedingungen. In der Schweiz ist dies aktuell in diversen Bereichen nicht gegeben. Unser System führt heute dazu, dass bei der Geburt des ersten Kindes in erster Linie für die Mutter Anreize gesetzt werden, ihr Erwerbspensum zu reduzieren oder ihre berufliche Tätigkeit für eine gewisse Zeit aufzugeben. Elternschaft ist für Arbeitgebende ein reelles Risiko, wenn sie jemanden beschäftigen. Heute wird die Konsequenz jedoch ausschliesslich von Frauen getragen. Somit sind alle Frauen im gebärfähigen Alter in der wichtigsten beruflichen Entwicklungsphase mit einer Hürde auf dem Arbeitsmarkt konfrontiert. Der Schweizer Wirtschaft entgeht damit ein grosses Potenzial an bestens ausgebildeten Arbeitskräften und an Steuereinnahmen. Zugleich wird damit die finanzielle Abhängigkeit von Müttern und die eingeschränkten beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen weiter zementiert. Wenn aber – wie wir es als richtig erachten – diese Zementierung nicht mehr zeitgemäss ist, und entsprechend geschlechtsunabhängig legiferiert werden soll, wie dies bei der Anpassung der Hinterlassenenrente vorgesehen ist, dann setzt dies eine Verbesserung der Rahmenbedingungen voraus. Die familienergänzende Kinderbetreuung spielt hierbei eine Schlüsselrolle. Studien belegen, dass der Zugang zu einer Kindertagesstätte zum Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes ausschlaggebend dafür ist, ob und in welchem Ausmass eine Mutter anschliessend berufstätig ist. Ein mangelhaftes oder zu kostenintensives Angebot trägt also direkt zum Arbeitskräftemangel bei, aber auch zur Zementierung der traditionellen Rollenteilung.

 

Wir möchten daran erinnern, dass es ein Verfassungsauftrag des Bundes ist, die Gleichstellung innerhalb der Gesellschaft voranzutreiben. Die Förderung der familienexternen Kinderbetreuung stellt eine einfache und wirksame Massnahme dar. Die negativen Erwerbsanreize tragen u.a. dazu bei, dass Frauen in Kaderpositionen noch immer untervertreten sind. Eine längere Berufspause oder ein reduziertes Erwerbspensum führt wiederum zu Lücken in der Altersvorsorge. Als Folge sind mehrheitlich Frauen von Altersarmut betroffen, gerade auch kinderlose Frauen.

 

Vor diesem Hintergrund sind wir überzeugt, dass es sich der Bund nicht mehr leisten kann, die Zuständigkeitsfrage bei der familienergänzenden Kinderbetreuung auszuspielen. Zu viele Kantone sind ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, weshalb in vielen Regionen nach wie vor ein grosser Mangel an Kinderbetreuungsplätzen und Arbeitskräften herrscht bzw. die Hürde aufgrund der – im europäischen Vergleich – hohen finanziellen Aufwände schlicht zu hoch ist. Wir erachten die Beteiligung des Bundes als wichtige Investition, um zeitnah zur besseren Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials beizutragen und die Gleichstellung voranzubringen.

 

Aus diesen Gründen lehnen wir sowohl die Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer um 0.7 Prozentpunkte (DBG Art. 196 Abs. 1) als auch die zusätzlich vorgesehene Senkung des Kantonsanteils, sollten sich die Ausgaben des Bundes auf über CHF 200 Millionen belaufen (Art. 196 Abs. 1bis), ab.

 

Wir sind jedoch bereit, einer anderen Lösung zur Gegenfinanzierung der Ausgaben zuzustimmen, z.B. durch die Verwendung des Bundesanteils des Ertrags der Ergänzungssteuer aus der OECD-Mindestbesteuerung von grossen Unternehmen, so wie es die Mehrheit der WBK-N beantragt hatte.