Dienstag, 6. Februar 2024

Landwirtschaftlicher Zahlungsrahmen 2026-2029

Der vorgeschlagene Zahlungsrahmen geht zu wenig auf die biodiversitätsschädigenden Subventionen ein. Zudem sollte das Verursacherprinzip Eingang in die Massnahmen finden.

1. Allgemeine Bemerkungen zum nachhaltigen Ernährungssystem

Unsere Landwirtschaft erbringt vielfältige Leistungen zugunsten unserer Gesellschaft. Denken wir zum Beispiel an unsere Ernährung und die Landschaftsgestaltung durch Nutzung und Pflege. Gleichzeitig führt die landwirtschaftliche Produktion zu grossen Eingriffen in unsere Landschaft mit entsprechenden Umwelteinflüssen. So sind 14% der Klimagasemissionen (v.a. Methan und Lachgas) im Inland auf die Landwirtschaft zurückzuführen. Weitere problematische externe Effekte der Landwirtschaft, wie abnehmende Biodiversität, mit Düngern und Pestiziden belastete Gewässer und zunehmend verdichtete Böden, müssen mit vernünftigen Massnahmen angegangen werden. Wir sehen zudem eine hohe Unzufriedenheit bei Bäuerinnen und Bauern aufgrund einer enorm überadministrierten Agrarpolitik. Hier müssen Vereinfachungen gefunden werden, die es erlauben, die externen Effekte schrittweise zu reduzieren.

 

Einseitige Kritik an der Landwirtschaft greift jedoch zu kurz. Unser Nahrungsmittelkonsum verursacht – im In- und Ausland - einen Drittel unseres ökologischen Fussabdrucks (neben Mobilität und Wohnen, welche die beiden anderen Drittel verursachen). Mehr als die Hälfte unserer Nahrungsmittel wird importiert. Dazu kommen 1,3 Millionen Tonnen importierte Futtermittel, die von unserer Landwirtschaft in Milch, Fleisch und Eier umgewandelt werden – mit entsprechender Überlastung unserer Ökosysteme, und dies spezifisch in der voralpinen Hügelzone und in den tierintensiven Regionen unseres Landes. Diese Überlastungen lassen sich wiederum nur mit kostspieligen technischen und baulichen Mitteln ausgleichen (Güllelagerung, Biogasanlagen als Hofdüngerdrehscheibe, etc.).

 

In der Landwirtschaft ist eine neue Balance zwischen Natur, Mensch, Infrastruktur und Technik nötig. Es geht darum, negative externe Effekte der Landwirtschaft durch Zielerreichungen und Zahlungen basierend auf realisierten Erfolgen zu reduzieren. Es existieren hier neue Technologien, welche einen kompletten Umbau auf ein zielgrössenbasiertes System ermöglichen. Ziel ist es, eine produzierende Landwirtschaft mit den neuen Zielmessgrössen auf ein ökologisch tragfähiges Mass weiterzuentwickeln - und positive externe Effekte wie Ernährungssicherheit und offene, d.h. unbewaldete und unbebaute Landschaften durch Beiträge zu fördern.

 

Wertvoller Ackerboden soll so genutzt werden, wie es eine lebendige Landschaft erfordert. Dies mit ökosystemverträglichen Tierzahlen. Tiere sind nicht nur zum Zweck der Nahrungsmittelproduktion, sondern auch im Sinne ihres ökologischen «Zwecks» in der Landschaft und im Produktionssystem einzuplanen. Es müssen so lebendige Landschaften mit hoher Nettoproduktion erzielt werden.

 

Zwei Drittel der Schweizer Landwirtschaftsfläche besteht aus Gras, das wir nicht essen können. Statt das weltbeste «Grasland» durch das Veredlungswunder Kuh optimal in Milch zu verwandeln – mit den «Nebenprodukten» Landschaft und Rindfleisch – werden nicht wenige Milchkühe mit 400'000 Tonnen Kraftfutter zu tier- und umweltschädigenden Höchstleistungen getrieben. Es gilt hier, Gras basierende Produktionssysteme verstärkt zu fördern und Tiere aus dem Stall ins Feld zu bekommen.

 

Ein nachhaltiger Konsum minimiert den ökologischen Fussabdruck. Ein hoher Fleischkonsum bringt Belastungen der Umwelt und der Gesundheit des Menschen mit sich. So würde ein reduzierter Fleischkonsum pro Kopf unsere Landwirtschaft wesentlich ökologischer machen und die Gesundheit fördern. Dies bedingt aber ein verändertes Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten – also mehr Pflanzen, weniger Fleisch.

 

Wege dazu sind etwa die Internalisierung der externen Kosten des Fleischkonsums, eine Deklarationspflicht für den Import von Tieren und Tierprodukten zu Ernährungszwecken, wie auch Informationen und Kommunikation zu einem gesundheitsfördernden Konsum. Mit dem Umbau des Zollsystems kann der Bund zusätzlich umweltfreundliche Produkte an der Grenze fördern. Und er kann die Tierproduktion weniger und den Pflanzenbau, insbesondere die pflanzliche Eiweissproduktion, stärker stützen. Dazu gehört etwa, dass der Bund die Förderung des Fleischkonsums mit Bundesgeldern aufgibt.

 

Pflanzliche Proteine sind eine Alternative. Aus ökonomischer Sicht ist es angezeigt, mittels einer Lenkungsabgabe auf importierten Futtermitteln mit vollständiger Rückerstattung an die Bevölkerung eine Lenkungswirkung beim Fleischkonsum zu erreichen. Fleisch darf im Vergleich zu anderen Lebensmitteln teurer werden, der Fleischkonsum könnte dementsprechend ohne negative Folgen sinken, und wir könnten mehr pflanzliche Produkte geniessen.

 

Eine Halbierung der Lebensmittelverschwendung (Food Waste) würde das Ernährungssystem wesentlich nachhaltiger machen. Alle Akteure – vom Produzenten bis zur Konsumentin und insbesondere unser Schulsystem – sind hier gefordert. Information, Kommunikation, Bildung sind von zentraler Bedeutung. Neue Technologien und vor allem die dadurch mögliche Transformation des Direktzahlungssystems zu einem «Outcome based» Ansatz, Künstliche Intelligenz, Präzisionslandwirtschaft, Automatisierung mit Feldrobotern, Drohnen, etc. können und werden in Zukunft einen Beitrag leisten. Auch der Pflanzenzüchtung inkl. neuen molekularbiologischen Methoden (wie CrisprCAS) wird mehr Relevanz zukommen. Hinzu kommt, dass Schwein und Huhn wieder vermehrt oder sogar ausschliesslich mit Gastronomieabfällen und Ackernebenprodukten gefüttert werden sollten. Dies würde auch die Problematik Food Waste deutlich entschärfen.

 

Die Landwirtinnen und Landwirte kritisieren zu Recht die überadministrierte Agrarpolitik. Allein die Direktzahlungsverordnung zählt um die 200 Spielarten von Massnahmen. Da gibt es unter anderem «Beiträge für den Einsatz von präziser Applikationstechnik», «Beitrag für die stickstoffreduzierte Phasenfütterung von Schweinen», «Beitrag an Zuckerrüben zur Zuckerherstellung», «Zusatzbeitrag für Zuckerrüben zur Zuckerherstellung», etc. Diese administrativen Vorgaben müssen reduziert oder gar abgeschafft und durch die Messung von Zielgrössen ersetzt werden. Nicht die Massnahmen zählen, sondern das Erreichte. Nicht der Weg ist zu administrieren, sondern das Ziel. Dank neuen, existierenden Technologien gibt es hier verfügbare Ansätze, die man rasch implementieren kann.

 

Als Fazit ist festzuhalten, dass eine nachhaltigere Land- und Ernährungswirtschaft konsequente Anpassungen in Landwirtschaft, Gesellschaft und Politik erfordert. Es ist mehr Gewicht auf die langfristige Wohlfahrt unserer Gesellschaft und Volkswirtschaft und weniger auf kurzfristige Partikularinteressen zu legen.

 

Generell geht es darum, private Güter primär dem Markt zu überlassen und öffentliche Güter (Versorgungssicherheit, Landschaft, Biodiversität, etc.) – soweit sie knapp sind und nicht als Koppelprodukte der Primärproduktion entstehen – staatlich zu regulieren und wo nötig zu finanzieren. Führt die Agrarproduktion hingegen zu negativen externen Effekten, so sind diese mittels Zielvorgaben und Kommunikation/Information anzugehen. Dieser Anpassungsprozess setzt eine geschickte Kombination von gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie Information voraus. Zum Beispiel hat der hohe Fleischkonsum pro Kopf negative Konsequenzen bezüglich Gesundheit und Umwelt. Internalisieren wir die negativen externen Effekte dieses Kon-sums mit Lenkungsabgaben auf schädliche Elemente der Produktionskette, etwa Futtermittel, und definieren wir Zielgrössen für Bodenschutz und Wasserbelastung, so gehen diese Massnahmen in die gleiche Zielrichtung.

 

Die Reduktion des Fleischkonsums pro Kopf, die Halbierung des Food Waste, die Maximierung der Biomasseproduktivität, des Bodenschutzes, der Ressourceneffizienz oder auch die Vereinfachung der Administration» sind alles realpolitisch äusserst herausfordernde Vorhaben. Darum soll verstärkt «Outcome-orientiert» und ein auf neue Messmethoden aufbauendes System gesetzt werden. Dies ist ein Paradigmenwechsel, der nicht liberaler sein könnte und alle im Parlament zum Denken anregen wird. Wir brauchen weniger Top-Down (was laut wissenschaftlichen Erkenntnissen in komplexen Systemen nicht funktioniert – und was ist komplexer als die Natur!) und mehr Bottom-up mit aktiven Landwirtinnen und Landwirten, die aufgrund neuer Messmethoden die richtigen Ziele anstreben und so automatischer nachhaltig werden. Es gilt, diesen schrittweisen Umbau in die Diskussion einzubringen und einen komplett neuen, grünliberalen Weg vorzubereiten.

 

2. Allgemeine Bemerkungen zum Bundesbeschluss

Der vorgeschlagene Zahlungsrahmen geht zu wenig auf die biodiversitätsschädigenden Subventionen ein, welche es dringend zu korrigieren gilt. Die Ergebnisse der WSL zu den biodiversitätsschädigenden Subventionen dürfen aufgrund der immensen Herausforderungen im Bereich Klima- und Biodiversität und den eingegangenen Verpflichtungen der Schweiz keinesfalls ignoriert werden. In diesen Zusammenhang ist ebenso unverständlich, dass die Mittel zur Absatzförderung tierischer Produkte nicht gekürzt werden sollen. Das Verursacherprinzip soll Eingang in die Massnahmen finden.

 

Die Erhöhung der Mittel für die landwirtschaftlichen Strukturverbesserungen (+86 Mio. CHF) darf nicht übergeordneten Bestrebungen zuwiderlaufen, insbesondere darf sie nicht zur weiteren Intensivierung der Tierhaltung führen. Wir stehen einer Erhöhung des Budgets darum sehr kritisch gegenüber und lehnen diese zum jetzigen Zeitpunkt ab. Investitionen in Bewässerung und Entwässerung können sinnvoll sein, und in einigen Gebieten sind Güterzusammenlegungen und Meliorationen nötig. Vor allem aber sollen die Strukturverbesserungen vermehrt für die pflanzliche Produktion eingesetzt werden. Es besteht hier aber die Gefahr, dass diese Mittel eine standortangepasste und ressourceneffiziente Landwirtschaft behindern und nicht zeitgemässe Strukturen zementiert werden. Zudem steht die Prüfung der Subvention auf ihre Biodiversitätstauglichkeit noch aus.

 

Die Bestrebungen hin zu einem umwelttauglichen Pflanzenschutz und die diesbezügliche Erhöhung des Budgets befürworten wir.